"Der gefangene Paradiesvogel“

Adelbert von Weislingen im Spannungsfeld von Mitläufertum und Emanzipation in Johann Wolfgang Goethes Drama Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (1773)

Autor/innen

  • Martin Blawid Wiesbaden

Abstract

Die Zerrissenheit zwischen der Freundschaft mit seinem Jugendfreund Götz und dem Streben nach Macht im Dunstkreis des Bischofs von Bamberg, die Erinnerung an eine vom Ritterleben geprägte Vergangenheit und die Gegenwartserfahrung des höfischen Lebens, die aufrichtige Liebe durch Maria und das Heischen nach Lusterfüllung mit Adelheid von Walldorf – Adelbert von Weislingen ist eine der vielschichtigsten Figuren in Goethes 1774 uraufgeführtem Drama Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

Die komplexen Strukturen, die sich um Adelbert ergeben, machen ihn zugleich zum Hoffnungsanker und Spielball für unterschiedliche Akteure. In all diesen Konstellationen fällt auf, dass Weislingen wiederholt dem Bereich des Passiven zuzuordnen ist: Wankelmütig in seinen Haltungen und ausgestattet mit einer instabilen Psyche versucht er, allen Referenzfiguren gerecht zu werden, was ihn letztlich tragisch scheitern lässt.

Entsprechend setzt der folgende Beitrag an dieser Stelle an und zeigt anhand der Re-Lektüre ausgewählter Textpassagen zwischen Ansprüchen und Erfüllungsbemühungen das Spannungsfeld auf, in dem sich Weislingen befindet und das ihn immer wieder zwischen den Rollen des Mitläufers und Handlungsobjekts alternieren lässt.

Das dabei zugrunde gelegte Theoriedesign umfasst vor allem sozio-literarische Referenzsysteme wie Raewyn Connells Konzept der ‚hegemonialen Männlichkeit‘ und der sogenannten ‚patriarchalen Dividende‘, aber zusätzlich auch Cass R. Sunsteins Überlegungen zu Mechanismen der Konformität und ihre Auswirkungen auf zwischenmenschliche Interaktionen und Bindungen.

Der Beitrag will dadurch ein genaueres Bild einer literarischen Figur zeichnen, die insbesondere im Kontext der Literatur des „Sturm und Drang“ aufgrund ihrer dezidierten Opposition zum draufgängerischen Ritter Götz häufig nicht im Fokus des Interesses steht, zugleich aber anschaulich vor Augen führt, wie ein durch Mitläufertum geprägtes Individuum an den zuweilen selbst- und teilweise fremdverschuldeten Widersprüchen und Kabalen zerbrechen kann.

 

Keywords

Hegemonie; Held; Komplizenschaft; Konformismus; Männlichkeit; Melancholie

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Veröffentlicht

2025-07-11