Peter Moor – vom Mitläufer zum Mittäter
Opportunismus am Beispiel der deutschsprachigen Kolonialliteratur
Abstract
Der Roman Peter Moors Fahrt nach Südwest (1906) von Gustav Frenssen (1863–1945) wird meist in der Tradition des Entwicklungsromans gelesen, wobei fraglich ist, inwieweit sich der Protagonist Peter Moor überhaupt entwickelt. Die Handlung ist zwar autodiegetisch in Form eines Erfahrungsberichtes erzählt, allerdings sind es größtenteils andere Figuren der erzählten Wirklichkeit, welche Aussagen zur Kolonialpolitik (teilweise rassistisch) tätigen. Peter Moor bleibt oftmals überraschend passiv, hört zu und gibt wieder, was ihm erzählt wurde. Die versteckte Kritik am Kolonialismus wird durch Veteranen des Kriegs am Lagerfeuer erzählt – Peter Moor hört lediglich zu und kommentiert auch nichts. Ohne Hemmungen folgt er dem Vernichtungsbefehl des Militärs gegen den ‚Feind‘ (die Herero). Der Feldzug belastet ihn zwar offensichtlich körperlich und psychisch, doch sein kriegerischer Eifer im Sinne militärischer Disziplinierung bleibt bestehen.
Im folgenden Beitrag soll Frenssens Kolonialroman hinsichtlich dessen untersucht werden, ob sich der Protagonist Moor tatsächlich entwickelt. Die These ist, dass Peter Moor, trotz seiner Position als Hauptfigur, einen charakterlosen Mitläufer darstellt, der teilweise opportunistisch handelt. Dadurch wird er selbst zu einem (anonymen) Teil des militärischen Kollektivs. Sein Individuum geht darin unter.
Anhand einer erzähltheoretisch orientierten Analyse soll untersucht werden, ob die These tatsächlich zutrifft. Gleichzeitig wird sowohl der rassistische Inhalt, welcher durch Peter Moors Mitläufertun und Opportunismus geteilt wird, als auch die disziplinären Aspekte des deutschen Feldzugs in Deutsch-Südwestafrika, beleuchtet.
Keywords
Kolonialliteratur; Militär; Deutsch-Südwestafrika; Namibia; Genozid; Herero; Rassismus