Gute Opportunisten, schlechte Opportunisten
Zur Gegenüberstellung von Lebenskünstlern und „Chinilpa“ in der koreanischen TV-Serie Mr. Sunshine
Abstract
Anhand der TV-Serie Mr. Sunshine soll das Konzept des „Chinilpa“ als eigenständiger literarischer und cineastischer Charakter in Abgrenzung vom „liebenswerten Lebenskünstler“ diskutiert und seine geschichtspolitische Funktion innerhalb des „Sageuk“-Genres erläutert werden. In der Umgangssprache wird „Chinilpa“ in Südkorea als Kampfbegriff gegen alle Koreaner*innen verwendet, die sich in der Kolonialzeit angepasst haben oder apologetisch über die japanische Kolonialherrschaft (1905–1945) urteilen. Die Serie ist in einem Zeitfenster angesetzt, das als Schlüsselmoment für die Nationswerdung Koreas verstanden werden kann. Nach einer über zweihundertjährigen Phase politischer Isolation brachen zwischen 1865 und 1905 Moderne, Kapitalismus und Imperialismus mit Gewalt in das kleine ‚Einsiedlerreich‘ in Ostasien ein. Mr. Sunshine folgt den Lebenswegen der Protagonist*innen Eugene Choi, Go Ae-sin und Koo Dong-mae durch das untergehende Königreich Joseon bis zur Annexion durch Japan. Für den Leibeigenen Choi und den Unberührbaren Koo eröffnen sich neue persönliche Handlungsspielräume, die sie auf unterschiedliche Weise nutzen. Als primärer Antagonist der Serie wird der Übersetzer und Diplomat Lee Wan-ik präsentiert, der durch seine Kontakte nach Japan reich geworden ist. Lee Wan-ik ist vom ‚alten‘ Korea desillusioniert und strebt die Unterwerfung Koreas durch Japan an. Mr. Sunshine stellt Koo und einige Nebencharaktere als ‚sympathische‘ Opportunisten dem „Chinilpa“, also dem ‚verwerflichen‘ Opportunisten, Lee Wan-ik gegenüber. Damit leistet die Serie einen geschichtspolitischen und erinnerungskulturellen Debattenbeitrag zur Frage nach individuellen historischen Handlungsspielräumen.
Keywords
Korea; Japan; K-Drama; Geschichtspolitik; Kolonialismus; Nationalismus