Ich denke, also ordne ich (nicht)...

Rezension von Georges Perec: "Denken/ Ordnen"

Autor/innen

  • Johanna-Charlotte Horst

Schlagworte:

Denken, Ordnen, Rezension

Abstract

Rezension zu: Georges Perec: Denken/Ordnen, übers. v. Eugen Helmlé, Berlin/Zürich: diaphanes Verlag 2014, 176 Seiten, ISBN 978-3-03734-740-9

Den unhintergehbaren Zusammenhang von Lebenswelt, Ordnungsform und Sprache führt Georges Perec in dem von Eugen Helmlé wunderbar übersetzten Essay-Band Denken/ Ordnen in unterschiedlichsten Konstellationen vor Augen. Wer viel backt, braucht mehr Bezeichnungen für die verschiedenen Konsistenzformen von Zucker als die meisten, und wer am Nordpol lebt, mehr für das, was üblicherweise schlicht „Schnee“ genannt wird. Und weiter: Wer viel und dazu noch literarisch schreibt, bekommt es mit den Ordnungen der Sprache zu tun. Leser von W ou le souvenir d’enfance oder La Vie Mode d’Emploi wissen, dass Perec außerordentlich aufmerksam für die Struktur seiner Texte ist und dass das Prinzip der Formgebung mal mehr und mal weniger, doch immer spürbar lesbar bleibt. So explizit wie in diesem Band wird die Frage nach dem Ordnen im Schreiben, dem Denken im Schreiben und der Verbindung von Denken und Ordnen allerdings selten gestellt. Im titelgebenden Essay „Denken/ Ordnen“ verschiebt sich die Suche nach einer Ordnung im Denken hin zu einer Befragung von Textordnungen besonders eindrücklich. Sowohl Jorges Luis Borges’ chinesische Enzyklopädie, über die Michel Foucault so nachhaltig lachen musste, als auch Italo Calvinos Roman Wenn ein Reisender in einer Winternacht... werden als Stichwortgeber einer Schreibpraxis aufgerufen, in der textuelle Ordnungen thematisch und für den Leser irritierend erfahrbar werden. Im Gegensatz zu Borges und Calvino gerät Perecs Denken und Schreiben dabei selbst aus den Fugen: „Als hätte das durch dieses DENKEN/ ORDNEN ausgelöste Hinterfragen das zu Denkende und das zu Ordnende auf eine Weise in Frage gestellt, dass mein ‚Denken‘ sich nur zersplitternd, verzettelnd und unaufhörlich auf die Fragmentierung zurückkommend, die es ordnen zu wollen vorgab, daruber nachdenken konnte.“ Der Schrägstrich zwischen „Denken“ und „Ordnen“ verbindet auf bloß diffuse Weise:
„Denken/ Ordnen Was bedeutet der Schrägstrich? Was fragt man mich eigentlich? Ob ich denke, bevor ich ordne? Ob ich ordne, bevor ich denke? Wie ich das ordne, was ich denke? Wie ich denke, wenn ich ordnen will?“

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Veröffentlicht

2015-01-01