Zur Wiederkehr der Verstellung. Die gegenwärtige Rezeption von Graciáns "Oráculo manual" als Ratgeber

Autor/innen

  • Johanna Schumm

Schlagworte:

Gracián y Morales, Baltasar, Rezeption

Abstract

„Dieses Buch, geschätzte Leserin, geschätzter Leser“, schreibt Adam Soboczynski in der Vorrede seines 2008 erschienenen Erzählbandes Die schonende Abwehr verliebter Frauen,
"enthält dreiunddreißig Geschichten, die darum kreisen, wie sich in einer Welt geschickt zu verhalten sei, in der Fallen lauern und in der Intrigen walten. Die Kunst der Verstellung, die eine jahrhundertelange Tradition hat, erlebt eine Wiederkehr."
Im gleichen Jahr publiziert Ulrich Hemel einen Ratgeber für Manager, „Sich vor dem Siege über Vorgesetzte hüten“, in dem er sich – genauso wie Soboczynski – auf Baltasar Graciáns Oráculo manual beruft. Diese Koinzidenz steht nicht alleine: Seit den 1990er Jahren gibt es eine intensive Rezeption von Graciáns Handorakel in  populärer Literatur, etwa in der Form von sprachlich aktualisierenden Übersetzungen oder von Ratgebern für eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft. Meist stellen diese Adaptionen (darunter fasse ich Übersetzungen, kommentierende Neu-Abdrucke und Texte, die sich eng auf das Oráculo manual beziehen) das Handorakel als Text vor, der dem heutigen Leser helfen könne, Erfolg zu haben, und der bisweilen erstaunlich explizit egoistische und erfolgsorientierte Ratschläge etwa zu  verstelltem Verhalten gebe. So beschreibt etwa Christopher Maurer seine englische Übersetzung des Oráculo manual, die für den Erfolg Graciáns in den 1990er  Jahren entscheidend war, wie folgt: „The Art of Worldly Wisdom. A Pocket Oracle is a book of strategies for knowing, judging, and acting: for making one’s way in the world and achieving distinction and perfection“ und hebt die „apparent subordination of ethics to strategy“ hervor, die Gracián so „disconcertingly ‚modern‘“ mache.

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Veröffentlicht

2014-01-02

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